Der Gotteshelm - und wie Gott aus unserem Gehirn schlüpft

In der Einöde des Kanadischen Ontarios hat ein gewisser Neurowissenschaftler namens Persinger ein Gerät verbreitet, von dem die einen meinen es beweist die Existenz von Gott, sowie andere die meinen, dass dieser Apparat genau das Gegenteil beweist. Eines sei gewiss, diese "Entdeckung" ging in den Medien um die Welt - vielfach komplett aus dem Kontext gerissen gepaart mit vielen Unwahrheiten. Was ist nun dahinter?

Bei diesem Gerät handelt es sich im Grunde um einen Sturzhelm mit kleinen Zylinderspulen die ein schwach schwingendes magnetisches Feld erzeugen (0,1 Tesla) - ein handelsüblicher Hufeisenmagnet erzeugt ca. das selbe Feld. Laut seinen diesbezüglichen Publikationen (in nicht peer-reviewten Journalen - sprich nicht von Fachkollegen kontrolliert) erleben 80% der Probanden religiös-mystische Erfahrungen. Eigentlich müsste man genauer sagen, sie erlebten "etwas anderes" im Raum. Je nach Interpretation der Probanden, reichte das von einem Geist bis hin zu Gott. Nun leider gibt es einige Dinge die man kritisieren konnte (z.b. gibt es keine Kontroll-Gruppe - das A und O jeglicher wissenschaftlichen Experimente). Diesbezüglich fand die einzige Replikationsstudie der Uppsala und Lund Universität (Link) nur einen Placebo-Effekt. Sprich, wer etwas sehen wollte sah etwas, ob der Helm nun ein oder ausgeschaltet war. Man könnte nun meinen - alles Hirngespinste und alles erstunken und erlogen. Nein, so einfach ist es nun aber wieder doch nicht, denn Persinger dürfte schon Recht haben in dem was er sagt, weniger aber in dem wie er es macht.


Die wissenschaftliche Erklärung für seine Funde ist, dass eine starke Stimulation der Temporallappen der rechten Gehirnhälfte, die normalerweise für die Bearbeitung und Ausarbeitung visueller Stimuli, Klängen sowie Emotionen zuständig ist, gestört und überaktiviert wird. Was passiert ist, dass die linke normalerweise dominantere verbal-orientierte Gehirnhälfte übernimmt und die Wahrnehmungen interpretieren muss. Diese Interpretation erfolgt meist aufgrund von persönlichen Erfahrungen, Ängsten und Überzeugungen der Person und kann sich dann unter anderem in Gotteserfahrungen oder Geistererlebnissen manifestieren. Deswegen variieren die Erlebnisse der Probanden ebenso stark voneinander. Stichwort Geistersuche mit Magnetfeldmessungen ;-). Ironischerweise sieht man sich aber nur selbst aufgrund einer Prozessstörung des Gehirns. Ob diese Erlebnisse nun mit Persingers Gotteshelm erreicht wird, steht zur Debatte und ist stark zu bezweifeln, aber nicht weiter relevant für die Diskussion von der Manipulation der rechten Temporallappen unseres Gehirns. Woher hat nun die Wissenschaft diese Erklärung - die kann man ja nun glauben oder nicht. Ganz einfach, wiedereinmal lehrt uns die Natur wenn es nicht so läuft wie es soll, ein wichtiges Kapitel über uns selbst. Am Beginn eines Anfalls der Temporallapenepilepsie passiert nämlich genau das was oben beschrieben wurde. Dies ist auch ein Grund wieso die transkraniale Magnettherapie, die u.a. für Depression eingesetzt wird, als mögliche drastische Nebenwirkung einen epileptischen Anfall zur Folge haben kann. Die transkraniale Magnettherapie erzeugt ein vielfach stärkeres lokales Magnetfeld als der Gotteshelm und aktiviert lokal gewisse Gehirnareale. Auch in unserem Labor wird diese Methode teilweise recht erfolgreich getestet, da sie durch technische Erneuerungen wieder im Kommen ist (obwohl sie schon über 100 Jahre alt ist). Was nehmen wir nun mit? Entweder starke Magnetfeldstimulation des rechten Temporallappen unseres Gehirns, oder natürliche Epilepsieanfälle derselben Region können so manchen Gott und so manche Religion hervorbringen. Mögliches Beispiel gefällig? Bitteschön...

Im Jahre 1836 wurde die kleine Ellen Gould Harmon von einer Schulkameradin mit einem Stein abgeschossen. Gar nicht nett und nicht ungefährlich, denn die kleine 9-jährige Ellen sollte für die nächsten 3 Wochen im Koma liegen und dieser Steinwurf sollte ihr Leben ordentlich verändern. Dank retrograder Amnesie, starken Kopfschmerzen, Schwächeerscheinungen und anhaltendem Unwohlsein war an eine weitere Schullaufbahn nicht mehr zu denken.  Doch dank ihrer sehr gläubigen Familie (die der Millerbewegung folgte) fand sie Halt in der Kirche. Leider war das Jahr 1844 für die Millerbewegung kein Gutes, denn die vorhergesagte Wiederaufstehung Christi fand nicht statt und warf Ellen in eine schwere Depression. Genau zu dieser Zeit erfuhr sie zum ersten Mal ihre später berühmten Visionen durch die sie und ihr späterer Mann James White die Kirche der Siebenten-Tage-Adventisten gründete. Heute immerhin eine Kirche mit 25 Mio. Mitgliedern (vorwiegend in den USA).  Man sah sie als Link zwischen Gott und der Menschheit. Es braucht hier wohl keinen ironischen Neurologen um die Punkte zu verbinden .....

GRANQVIST, P., FREDRIKSON, M., UNGE, P., HAGENFELDT, A., VALIND, S., LARHAMMAR, D., & LARSSON, M. (2005). Sensed presence and mystical experiences are predicted by suggestibility, not by the application of transcranial weak complex magnetic fields Neuroscience Letters, 379 (1), 1-6 DOI: 10.1016/j.neulet.2004.10.057

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